Wenn es nach mir ginge, könnte ich ganze Winter am Polarkreis auf irgendwelchen Eisseen verbringen. Zumindest wenn sie so präpariert sind wie bei den Michelin Winter Experiences. Nach 2014 durfte ich auch in diesem Jahr meine Fähigkeiten im Norden Finnlands auf Eis und Schnee trainieren. Wobei: die Vokabel „trainieren“ hört sich viel zu nüchtern, zu unspektakulär an, gemessen am Heidenspaß, den die Michelin Winter Experience 2015 bereit hielt.
Auf 450 Hektar haben die Rallye-Profis Armin Schwarz und Mark Wallenwein und ihr Team auf dem „Ice & Action„-Trainingsgelände Pasasjärvi ein Winterwonderland par excellence aus dem Schnee gestanzt. Einen Offroad-Parcours, Gleitflächen, Kreisbahnen, mehrere Lastwechsel Sektionen und gleich 5 (!) verschiedene Handling-Kurse haben die Damen und Herren auf und um den Eissee aufgebaut. Besser geht´s wohl nicht.
Der Winter war in Deutschland ja mal wieder bedingt weiß ausgefallen. Sprich: bis auf einen einzigen Tag gab es bei uns im Westen Deutschlands keinen Schnee. Entsprechend froh war ich, mich im finnischen Norden auf Eis und Schnee erst einmal ganz gemächlich auf dem Offroad-Parcours einzugewöhnen. Missverständnis 1: auch wenn die Geschwindigkeiten auf dem verschneiten Offroad-Parcours sicherlich nicht wirklich rasant waren, das Befahren des zum Teil sehr eng gesteckten Parcours mit seinem zahlreichen blinden Kuppen war herausfordernder als gedacht. Missverständnis 2: die Fahrt über den Offroad-Parcours mit den 4×4-Geräten aus dem Hause Landrover (Evoque) und VW (Touareg) war nicht etwa geprägt von überfordertem Hin- und Herrutschen. Wenn man behutsam mit Gaspedal und Lenkung umging, konnte man die SUV mit überraschend viel Traktion sehr sicher und wirklich erstaunlich präzise bewegen.
Das lag zum einen sicherlich an der Geländefähigkeit der deutsch-englischen Paarung, schlussendlich vor allem aber an den Reifen. Die Offroad-Könner waren mit Michelin Latitude Alpin LA2-Winterreifen unterwegs. Die Lauffläche der speziell für (Premium-)SUV entwickelten Winter-Pneus ist mit einer hohen Anzahl von Profilkannten ausgestattet, die sich mit dem Schnee „verzahnen“ können und somit für mehr Haftung auf winterlicher Fahrbahn sorgen. Für hohe Steifigkeit des Profils und eine damit einhergehende Lenkpräzision sorgen in unterschiedlichen Winkeln angeordnete sogenannte StabiliGrip-Lamellen.
Während in Sektion drei ein frontgetriebener und mit Michelin Alpin 5-Winterreifen augerüsteter VW Golf wartete, mit dem spielerisch Lastwechselreaktionen und das Fahren am Limit ausprobiert werden konnten (und was trotz Frontantrieb durchaus Laune machte), folgte wenig später der Höhepunkt, oder besser gesagt: einer der Höhepunkte der Michelin Winter Experience 2015: Der Supercars-Rundkurs, angeleitet von Armin Schwarz.
Ich entschied mich anders als 2014 nicht für den Porsche 911 Turbo, sondern für den heckgetriebenen Jaguar F-Type Coupé. Der Brite ist bekanntlicherweise ein Spaßgerät allererster Kajüte. Einziges Manko: wann kann man einen solchen Sportwagen schon mal an der Haftgrenze bewegen, geschweige denn im kontrollierten Drift fahren? Richtig: bei der Michelin Winter Experience! Erste Sahne, wie sich der heckgetriebene F-Type mit dem Gasfuß lenken ließ. Auf 6 Kilometern Rundkurs konnte der Sportwagen in Dutzenden Kurven wunderbar im Drift gefahren werden. Zur Ehrenrettung des Michelin Pilot Alpin PA4 muss gesagt werden: wenn man es nicht darauf anlegt, ausschließlich quer unterwegs zu sein, bietet dieser Reifen viel, viel Traktion und Präzision beim Lenken. Kein Wunder, bietet die Lauffläche doch eine deutlich höhere Anzahl von Profilkanten und Lamellen gegenüber seinem Vorgänger. Konkret hat der Pilot Alpin PA4 bis zu 74 Prozent mehr Profilkanten und bis zu 135 Prozent mehr Lamellen im Vergleich zum Michelin Pilot Alpin PA3.
Mein persönlicher Höhepunkt war aber die Übung zum Vergleich von Sommerreifen, Winterreifen und Spikereifen. Im letzten Jahr (mit Ausnahme eines Tests mit Spikes) noch sehr längsdynamisch mit zwei im Beschleunigungs- und Bremstest antretenden, sommer-, respektive winterbereiften VW Touareg konzipiert, war der Fun-Faktor in diesem Jahr noch weitaus höher.
Verantwortlich dafür: die kurze Beschleunigungssektion mündete in einem kleinen, aber feinen Rundkurs. Noch besser: die Fahrzeuge. Ich schwöre, ich machte innerliche Freudensprünge, als ich die Testwagen sah! Michelin hatte da zwei Subaru BRZ und einen mit allerlei Flügelwerk von TRD (Toyota Racing Development) ausgestatteten Toyota GT86 hingestellt. Ich stehe ja total auf das Konzept der beiden japanischen Firmen, die es geschafft haben, einen preisgünstigen, trotzdem ernst zu nehmenden Sportwagen mit 200 PS, Heckantrieb, einem vergleichsweise geringen Gewicht und einem niedrigen Schwerpunkt auf die Räder zu stellen. Womit wir beim Thema sind.
Mit dem sommerbereiften Subaru BRZ brauchst du es gar nicht erst auf Schnee und Eis versuchen: beim Start kam das Sportcoupé gar nicht aus dem Knick und über das Fahrverhalten bei Kurvenfahrten brauchen wir gar nicht erst zu sprechen, das war maximal Rumgeeiere, Traktion Fehlanzeige. Deutlich besser funktionierte da schon der Michelin Pilot Alpin PA4-bereifte BRZ. Der bot richtig viel Traktion und ein präzises Einlenkverhalten. Genial, wie einfach sich der Subaru mit der nahezu ausgeglichenen Gewichtsbalance und in Verbindung mit den Michelin-Pneus in den kontrollierten Drift dirigieren ließ: Kurve anvisieren, leicht anstellen, den richtigen Lenkwinkel und die richtige Gaspedalstellung finden und ab dafür! Wieder gerade ziehen – was mit den Pilot Alpin PA4-Pneus wirklich klasse funktionierte – und weiter zur nächsten Kurve. Als nahezu genial erwies sich die Dramaturgie des Rundkurses: in zahlreichen Sektionen konnte man den Schwung am Kurvenausgang für einen feinen, den nächsten Drift einleitenden Lastwechsel mitnehmen. Wedeln mal anders.
Das machte einen Heidenspaß – und wurde nur vom Spike-bereiften Toyota GT86 getoppt, der ähnliche Driftwinkel, aber viel höhere Kurvengeschwindigkeiten ermöglichte. Von der noch höheren Traktion beim Beschleunigen und bei „Negativ-Beschleunigungen“ einmal ganz abgesehen.
Hatte ich schon von meinem persönlichen Highlight berichtet? Ich glaube schon. Hier kommt trotzdem der nächste Höhepunkt. Und was für einer. Uns bot sich die einmalige Möglichkeit, in einem Subaru WRX STI Gruppe N „Light“-Rallye-Fahrzeug durch den Schnee zu pflügen. Fest geschnallt in Rallye-Schalensitzen mit 6-Punkt-Gurten, wurde mir trotzdem kurzzeitig etwas anders. Plötzlich realisierte ich, dass das hier doch etwas ernster war. Vermutlich nicht ganz preisgünstig in professionellem Rallye-Trimm, ausgestattet mit Spikes und rund 300 PS hatte ich dann doch etwas Respekt. Das fehlende Dämmmaterial verstärkte sowohl Lautstärke, als auch das verspürte Rallye-Feeling. Relativ schnell wuchs aber das Vertrauen in den Subaru, der, wollte man etwas zügiger, etwas querer unterwegs sein, deutlich mehr Vorsicht erforderte. Zum Glück blieb alles heil. Was ein Spaß!
Den spektakulären Abschluss der Michelin Winter Experience 2015 bildeten – wie sollte es anders sein – Taxifahrten mit den Profis. Armin Schwarz und Mark Wallenwein luden auf den Beifahrersitz ihren Gruppe N-Subarus und zeigten der (nach den diversen Prüfungen des Tages an wohliger Selbstüberschätzung leidenden – ich spreche da aus eigener Erfahrung!) Journalisten- und Autobloggerschar einmal mehr, wo der Hammer wirklich hängt. Und das lag weiß Gott nicht nur an den 7 Millimeter langen Spikes…
[Fotos: Michelin, Moritz Nolte]
[…] Michelin Winter Experience 2015: Quer durch Lappland!, gefunden bei automobil-blog.de (0.2 Buzz-Faktor) […]