Von den ersten Sonnenstrahlen eines, wie sich später zeigen wird, wunderbaren Frühsommertages werde ich sanft geweckt. Verschlafen trotte ich Richtung Fenster. Der elegant-rustikale Holzboden knarzt leise unter meinen Füßen. Es duftet nach Holz und frischem Kaffee, der ein Stockwerk tiefer in der Hotelküche offenbar schon frisch aufgesetzt wurde. Ich öffne das Fenster mit dem altmodischen Schließmechanismus und blicke auf den friedvollen und absolut ruhigen Schlosspark. Vereinzelt zwitschern die ersten Vögel, Morgentau hat sich auf den Blättern gesammelt. Verträumt lasse ich meinen Blick über Flora und Fauna wandern, regelrecht entzückt stelle ich fest, dass es schon richtig warm ist. Diese Ruhe. Herrlich. Hier sagen sich also Hasen und Rentner „Gute Nacht“. Oder „Guten Morgen“. Zumindest war das mal so, hier in Bad Driburg. Und zwar solange, bis ein verrückter Graf entschloss, sich ein paar Kilometer weiter eine permanente Rennstrecke in die Botanik auf den Resten britischer Besatzung pflanzen zu lassen. Seitdem fallen regelmäßig Heerscharen ambitionierter Gentleman-Driver in das beschauliche Städtchen ein. Die Strecke mit dem klingenden Namen „Bilster Berg“ soll heute unser Ausflugsziel sein. Als fahrbarer Untersatz wird mit dem nagelneuen Jaguar F-Type Coupé eine der faszinierendsten Sportwagen-Neuheiten der letzten 10 Jahre dienen. Geht natürlich schlechter.
Interessanterweise durchlebt auch Jaguar momentan einen Wandel. Vom eleganten, von purem Understatement gezeichneten Image entwickelt sich die Marke mit der Raubkatze (nein, nicht Puma) aktuell zum ernst zu nehmenden Challenger für die arrivierte Performance-Car-Gilde. Trackdays statt Concours d’Elegance, Kurvenräubern statt gediegenes Reisen, offene Auspuffklappen statt zugeknöpfte Damen und Herren. Der F-Type ist Vorreiter dieser neuen Postionierung und im F-Type Coupé findet diese ihren aktuellen Höhepunkt.
Beim Design haben die Jaguar-Designer tatsächlich einen wunderbaren Kompromiss aus elegantem, stilsicherem Auftreten und sportiver Aggressivität gefunden. Neben der weit nach hinten gerückten und zum Heck hin eingezogenen Kabine machen drei, wie Jaguar sie bezeichnet, „Herzlinien“ den besonderen Reiz des Modells aus. Zwei davon übernimmt das Coupé vom F-Type Cabriolet – sie formen die charakterstarke Bugpartie und die kraftvoll ausgestellten hinteren „Hüften“. Die dritte Linie bildet die schwungvolle Silhouette des Coupé-Daches ab. Die Breite des Hecks wird von schmalen und horizontalen LED-Rückleuchten betont. Die Designer zogen sie um die Flanken herum und danach bis fast an die Hinterkante der Radkästen. Eine Form, die das Heckantriebskonzept und den kräftigen Stand des Fahrzeugs optisch unterstreicht.
Das schicke Cockpit kennen wir noch aus dem Jaguar F-Type Cabriolet, die Sitzprobe fällt also entsprechend kurz aus – man kennt sich. Motorstart. Aaaahhh, da isser wieder: dieser kernige Sound, der bei zunehmender Drehzahl in einem rotzfrechen und wenig vornehmen Röhren gipfelt. Wir können es gar nicht erwarten, aus Bad Driburg herauszukommen, eine gefühlt einzige Tempo 30-Zone. Endlich erreichen wir den Ortsausgang, Tempolimit 100 km/h, na das ist doch schon was. Der 380 PS starke F-Type in V6 S-Spezifikation beschleunigt in 4,9 Sekunden auf das hier geltende Maximaltempo – und bei Bedarf bis auf 275 Sachen.
Beim fröhlichen Kurvenräubern auf den westfälischen Landstraßen und schließlich auf dem Bilster Berg begeistert die im Vergleich zum Cabriolet deutlich verwindungssteifere Karosserie, die in Verbindung mit der recht direkten Lenkung Kurvenfahrten zum reinen Vergnügen macht. Das Leergewicht von 1.594 Kilogramm mag im Vergleich zu ähnlichen Sportwagen OK sein, ein Leichtgewicht ist das Jaguar F-Type Coupé somit aber nicht. Wäre aber auch nicht „typisch-Jaguar“. Immerhin fühlt sich das britische Coupé durchaus leichtfüßig an. Zudem ist die Traktion brutal! Selbst aus engen Ecken heraus beschleunigt das F-Type Coupé als ob es keinen Morgen gäbe. Fast vergisst du, dass du in einem Hecktriebler sitzst. Während im V6 S ein mechanisches Sperrdifferenzial arbeitet, sorgt im 550 PS starken F-Type R Coupé eine Kombination aus der zweiten Generation der aktiven Hinterachsdifferentialsperre (EAD) von Jaguar und einer neuen Torque-Vectoring-by-braking-Funktion für hohe Traktionswerte. Während das EAD-System das Drehmoment bedarfsgerecht und vollautomatisch zwischen den Hinterrädern verteilt, minimiert Torque Vectoring by braking durch fein dosiertes und individuelles Abbremsen der kurveninneren Räder Untersteuertendenzen. So sind selbst ungeübte Fahrer in der Lage annehmbare Kurvengeschwindigkeiten zu erzielen.
Deutlich schneller auf der Rennstrecke und was die Endgeschwindigkeit (300km/h) angeht ist natürlich das F-Type R Coupé. Mit 380 PS ist das Jaguar F-Type S Coupé aber alles andere als untermotorisiert. Querdynamisch ist der „kleine“ F-Type gar nicht soweit weg vom R-Modell wie die rund 25.000 Euro (103.700 Euro vs. 78.500 Euro) Differenz vermuten lassen würden. Wie auch immer man sich entscheiden mag: das Schöne am neuen F-Type ist, dass es dir keiner übel nimmt, die Etikette an der Garderobe abzugeben. Kann auf einer Rennstrecke eh keiner gebrauchen.
[…] ein Sportwagen, der in kundige Hänge gehört. Trotzdem ist kaum zu glauben, dass ich – mit Sportfahrer Moritz und mir an Bord – hier immerhin fast 1,8 Tonnen Kilogramm bewege. Jaguar gibt für die von mir […]