Die neue Mercedes S-Klasse im Fahrbericht

Für die neue S-Klasse hat Mercedes-Benz das bedingt bescheidene Ziel ausgegeben, einmal mehr das beste Automobil der Welt zu entwickeln. Der charismatische Mercedes-Boss Dieter „Dr. Z“ Zetsche wird nicht müde zu betonen, welch großer Wurf der Marke mit der neuen S-Klasse gelungen sei. Design-Chef Wagener spricht vom neuen Mercedes-Benz Luxusliner als „Design-Ikone“ und für Dr. Joachim Schmidt, bei Mercedes-Benz verantwortlich für Vertrieb und Marketing, markiert die S-Klasse des Jahrgangs 2014 nicht weniger als die Speerspitze „der automobilen Entwicklung schlechthin“. Starke Worte also. Ob berechtigt, klärt unser Mercedes S-Klasse Fahrbericht.

Neue Mercedes S-Klasse im Fahrbericht

Erwartungsgemäß verströmt die neue S-Klasse bereits im Stand eine Souveränität, die tatsächlich wenige andere Automobile ausstrahlen. Sehr präsent steht die Langversion des Mercedes S500 vor uns. Trotz ihrer mehr oder weniger klassischen Architektur wirkt die S-Klasse nicht wuchtig. Vielmehr gelang den Designern um Gorden Wagener der Spagat zwischen repräsentativem, elegantem Auftreten und dezenter Sportlichkeit. Die Silhouette wirkt filigraner und fließender als bei der Vorgänger-Generation. Die auffallenden Schultern oberhalb der Hinterräder betonen den dynamischen Charakter der neuen S-Klasse.

Neue Mercedes S-Klasse im Fahrbericht

Bereits während ich das Cockpit entere, fällt das gediegene Lenkrad auf. Ach, was, „gediegen“ – „prunkvoll“ dürfte die bessere Umschreibung sein! Meinen Geschmack trifft aber weder das Volant, noch das gelochte Leder in der Armaturentafel. Einmal im bequemen Fahrersitz Platz genommen, fällt der Blick auf die neue, sogenannte „Informationszentrale“ – zwei hochauflösende TFT-Bildschirme  und einer Bildschirmdiagonale von 30,7 cm. Der linke Bildschirm übernimmt dabei die Funktion des bisherigen Kombi-Instruments mit allen für den Fahrer relevanten Daten. Der rechte Bildschirm dient der Steuerung von Komfort- und Infotainmentfunktionen. Die großen TFT-Elemente verleihen dem Dashboard einen angenehm „offenen“ Charakter. Einzig die in diesem Umfeld etwas billig wirkenden Old School Analog-Knöpfe in unmittelbarer Nachbarschaft zur per Touchscreen bedienenden Informationszentrale passen da nicht ganz zur angestrebten Ästhetik.

Neue Mercedes S-Klasse im Fahrbericht

Sehr ästhetisch hingegen: die Art zu Reisen. Die neue Mercedes S-Klasse fährt nicht, sie gleitet. Durch die Luft. Sie ist also der Graf Zeppelin der Straße! Seit jeher auf maximalen Komfort ausgerichtet, gleitet die S-Klasse über die Straßen und ausladenden Highways von Toronto. Selbst bei zügigeren Geschwindigkeiten (sofern man als Autobahn-verwöhnter Teutone die in Kanada vorherrschenden Geschwindigkeiten als „zügig“ definieren kann) bleiben aus dem Luftwiderstand resultierende Geräusche und die Lärmbelästigung durch das gemeine Volk der weiteren Verkehrsteilnehmer in sehr erträglichem Maße. Das Burmester Surround-Soundsystem und verschiedene Massagefunktionen, die 14 separat ansteuerbare Luftkissen im Sitz besorgen, gehören darüber hinaus sicherlich zum Allerbesten, was der Automobilbau heutzutage so im Angebot hat – und machen Fahrten im schwäbischen Luxus-Liner fast schon zu kleinen Wellness-Trips.

Neue Mercedes S-Klasse im Fahrbericht

Klar, dass der Fahrer da weitgehend entlastet werden soll. Komfortsteigerung durch Entlastung lautete hier das Entwicklungsmotto. Der aktive Spurhalteassistent etwa erkennt dank eines Systems bestehend aus Stereokamera und Radar belegte Nachbarspuren und kann das unbeabsichtigte Überfahren der Fahrspurmarkierung verhindern. Auch der Stop&Go Pilot des Distronic Plus-Systems kann wesentliche Aufgaben des Fahrers übernehmen, beherrscht er doch ein gewisses, teilautonomes Staufolgefahren. Und das nervige Betätigen und Deaktivieren des Fernlichts auf dunklen Landstraßen entfällt in der neuen Mercedes S-Klasse auch vollständig: der adaptive Fernlichtassistent ermöglicht blendfreies Dauerfernlicht durch Ausblenden anderer Fahrzeuge im Fernlichtkegel. Bei der Fülle an Fahrereassistenzsystemen muss man künftig die ernste Befürchtung haben, S-Klasse-Fahrer könnten zu potenziellen Verkehrsrisiken avancieren, sollten sie tatsächlich einmal auf ein anderes Modell umsteigen müssen. Erste Fahrschulen sollen perspektivisch schon über Auffrischungskurse „Autofahren I“ und „Autofahren II für S-Klasse-Fahrer“ nachdenken. Habe ich zumindest gehört.

Beeindruckend arbeiten übrigens auch die Assistenzsysteme „Road Surface Scan“ und „Magic Body Control“ zusammen. Erkennt Ersteres Unebenheit wie etwa Bodenwellen auf der Straße, regelt Magic Body Control das Fahrwerk in Sekundenbruchteilen auf die entsprechende Herausforderung ein und schluckt das Hindernis wie nichts. In der Mercedes-Präsentation reagierte das System so eindrucksvoll, dass ein zügiges Überfahren von wirklich fiesen Unebenheiten im Format von „Berliner Kissen“ kaum bemerkt wurde.

Neue Mercedes S-Klasse im Fahrbericht

Vielleicht noch wichtiger als der Fahrerkomfort und dessen Unterstützung dürften Ergonomie und Komfort im Fond der S-Klasse sein. Insbesondere die lange Version dürfte verstärkt als Chauffeur unterwegs sein. Vor allem für Märkte wie China, USA und Japan ist die neue Mercedes S-Klasse als Repräsentationslimousine konzipiert. Und was soll ich sagen? Da ist die neue S-Klasse einfach perfekt. Immerhin 14 Millimeter mehr maximale Kniefreiheit sorgen für noch luftigeres Platzgefühl im Fondbereich. Insgesamt stehen fünf verschiedene Fondsitz-Varianten inklusive des von uns getesteten Executive-Sitzes auf der Beifahrerseite hinten mit bis zu 43,5 Grad-Lehnenneigung zur Auswahl. Was im Büro so kaum denkbar wäre, ist hier möglich: lässig im Fond abhängend arbeiten? Dabei das Netbook auf dem Tischchen, den einen oder anderen gekühlten oder heißen Drink schlürfen und sich dabei noch massieren lassen? – Alles möglich in der neuen S-Klasse von Mercedes-Benz.

Neue Mercedes S-Klasse im Fahrbericht

Tja, mein Fazit. Darüber habe ich lange nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass wie immer alles relativ ist. An vielen Punkten erreicht die neue Mercedes S-Klasse eine Perfektion, die beinahe unheimlich ist. Fahrer, die viele tausend Kilometer im Jahr im Auto unterwegs sind und einfach einen hohen Reisekomfort erwarten (und über das das nötige Kleingeld verfügen), ist die neue S-Klasse vermutlich idealer Reisebegleiter. Andere werden wahrscheinlich ihre Probleme mit den zahlreichen Assistenzsystemen haben, die das eigentliche, das echte Fahren in vielen Aspekten tendenziell obsolet machen. Und trotz starker Motorisierungen von 258 bis 455 PS im S500 ist und bleibt die S-Klasse kein Sportler. Das will sie aber auch nicht sein.

Die Preise im Überblick:

Diesel:
Mercedes S350 BlueTec (258 PS) mit kurzem Radstand: ab 79.789,50 EuroMercedes S350 BlueTec (258 PS) mit langem Radstand: ab 85.323,00 Euro

Benziner:
Mercedes S400 Hybrid (306 PS) mit kurzem Radstand: ab 85.204,00 Euro
Mercedes S400 Hybrid (306 PS) mit langem Radstand: ab 91.094,50 Euro
Mercedes S500 (455 PS) mit kurzem Radstand: ab 104.601,00 Euro
Mercedes S500 (455 PS) mit langem Radstand: ab 107.635,50 Euro

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[Fotos: Moritz Nolte, Mercedes-Benz]

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  3. […] zur S-Klasse u.a. bei Jens Stratmann, oder Jan Gleitsmann, – alternativ aber auch im Blog von Moritz Nolte oder Björn Habegger, – alternativ aber auch bei Reisebloggerin Heike Kaufhold oder […]

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