„Wie Sie wissen, haben wir uns aus wirtschaftlichen Gründen dafür entschieden, den Audi R8 e-tron nicht in Serie zu bauen“, erläutert der Audi-Sprecher zu Beginn der Presseveranstaltung. Sicherlich wohl wissend, die zahlreichen Kritiker der E-Mobilität damit wieder auf den Plan zu rufen. ‚Zu teuer‘, ‚zuwenig alltagstauglich‘ und ‚fahrdynamisch so interessant wie ein Ochsenkarren‘ wähnt man sie zurecht sagen. Denn während Punkt eins ganz offensichtlich auch im Falle des Audi-Elektro-Sportwagens zutreffen dürfte, arbeiten die Ingolstädter an interessanten Ansätzen, um die Praktikabilität von Elektroautos signifikant zu erhöhen. Und in puncto Fahrdynamik – soviel darf ich vorweg nehmen – haben sie mit dem Audi R8 e-tron einen eindrucksvollen Meilenstein auf die (aus aerodynamischen Gründen abgedeckten) Räder gestellt. Immerhin soll er als Technologieträger dienen und – wie Audi-Vertreter versichern – immerhin die eine oder andere Detaillösung für die kommenden Audi e-tron-Baureihen liefern.
Nicht wegzudiskutieren ist momentan das zu hohe Gewicht, das die Akkusysteme, meist Lithium-Ionen-Technologie, aktueller Elektroautos auf die Waage bringen. Beim Audi R8 e-tron wiegt das komplette System wahnwitzige 577 Kilogramm. Bietet auf der Haben-Seite aber immerhin eine Kapazität von 48 kWh – wie Dr. Karl-Heinz Meitinger, einer der Projektleiter bei der R8 e-tron-Entwicklung, betont, ausreichend für „eine echte Reichweite zwischen 170 und 180 Kilometer“. Offiziell arbeiten die Ingolstädter natürlich mit dem so genannten NEFZ-Zyklus – die Reichweite hier: 215 Kilometer.
Nicht viel? Mag sein. Aber in etwa doppelt so viel wie beispielsweise im Nissan Leaf – und immerhin ausreichend für ein paar Runden auf der Rennstrecke. Wie etwa auf der Nürburgring-Nordschleife, auf der Rennfahrer Markus Winkelhock vor rund einem Jahr den Audi R8 e-tron in beeindruckenden 8:09 Minuten um die Strecke prügeln konnte.
Erstaunlicherweise konnten die Audi-Entwickler das fast 600 Kilogramm-Mehrgewicht des Batteriesystems mithilfe eines offensichtlich erheblichen Aufwands nahezu kompensieren: der R8 in e-tron-Ausführung bringt lediglich 1.780 Kilogramm auf die Waage. Die Benzin-Varianten des R8 spielen mit einer Masse zwischen 1.650 Kilogramm und knapp 1.700 Kilogramm nicht wirklich in einer anderen Liga.
Dafür ließen die Audi-Mannen (und -Frauen) keinen Stein auf dem anderen und übernahmen lediglich 9 Teile von insgesamt 6.000 einzelnen Teilen aus denen der Audi R8 besteht. Bei der Karosseriestruktur konnten die Audi-Entwickler schon 23 Kilogramm gewinnen, die Struktur wiegt laut einem Audi-Sprecher nur 199 Kilogramm. Maßgeblichen Anteil hat daran ein neuer Entwicklungsschritt der sogenannten Audi-“ultra-Leichtbautechnologie“; die Verwendung eines Multimaterial Space Frames, bei dem große Teile aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) das Aluminiumgerüst ergänzen. Die CFK-Umfänge machen laut Audi-Angaben 23 Prozent und die Metallteile 75 Prozent des Gewichts der Rohkarosserie aus, der Rest entfällt auf sonstige Materialien. Die Außenhaut des R8 e-tron besteht fast komplett aus CFK, was weitere Kilos abhobelt.
Auch beim Fahrwerk erwartet den Betrachter Spektakuläres: Die Schraubenfedern bestehen aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) und wiegen nur jeweils 1,2 beziehungsweise 1,3 Kilogramm, etwa 40 Prozent weniger als herkömmliche Stahlfedern. Beim Stabi an der Vorderachse bilden gewickelte Lagen aus CFK das Rohr, die Schenkel bestehen aus Aluminium – das Bauteil wiegt nur 2,5 Kilogramm, ein Vorteil von 35 Prozent.
Nach der umfangreichen theoretischen Einweisung geht es endlich ins Cockpit. Das ist R8-like angenehm sportlich, dennoch edel. Zahlreiche CFK-Oberflächen und viel weiches Leder und Alcantara säumen das Blickfeld des Fahrers. Das Tachoelement ist dabei nicht großartig anders als in einem herkömmlichen Sportwagen: neben der Anzeige der gefahrenen Geschwindigkeit zeigt das sogenannte Powermeter das Maß der Leistungsabgabe und der Energierückgewinnung auf einer Skala von null bis 100 in Prozent.
Dann endlich das erste Mal den Gasfuß durchdrücken, volle Beschleunigung. Die beiden an der Hinterachse montierten E-Maschinen mit je 140 kW Leistung schieben so dermaßen an, dass einem die Spucke wegbleibt. Das maximale Drehmoment von 820 Nm glaubt man da gerne. Die knapp 1,8 Tonnen hingegen merkt man dem Audi R8 e-tron wahrlich nicht an. Auch nicht auf dem Handlingkurs, bei dem es in erster Linie auf die Querdynamik ankommt.
Zwar verzichteten die Ingolstädter aus Gewichtsgründen auf den obligatorischen quattro-Antrieb, der Heckantrieb in Verbindung mit dem elektronischen Torque Vectoring passt dem Audi R8 e-tron aber vorzüglich! Das System, bei dem dem die Drehmomente bei schneller Kurvenfahrt bedarfsgerecht auf die Räder der Hinterachse verteilt werden können, unterstützt die bereits konzeptbedingte Traktion des Hecktrieblers zusätzlich. Das funktioniert wirklich sehr, sehr gut und sorgt – nach einer merklichen Tendenz zum Untersteuern am Kurveneingang – für volle Beschleunigung aus der Kurve heraus.
Zugute kommt dem R8 e-tron bei der Kurvenhatz die nahezu ausgewogene Gewichtsverteilung von 42:58, die ihn trotz seines immer noch stattlichen Gewichts agil in die Kurven werfen lässt. Das Kurvenverhalten bereitet auch dank der gewonnenen Karosseriesteifigkeit einen Heidenspaß, konnten die Audi-Ingenieure doch das recht große und schwere Batteriesystem als unterstützendes Element an 40 Punkten mit der Struktur verschrauben und die Steifigkeit des Space Frame auf diese Weise verdoppeln.
15 Minuten und ein paar Drifts später war dann auch leider schon Schluss mit dem fröhlichen Kurvenwedeln. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass E-Sportwagen echte Fahrmaschinen sein können – und: ein Auto gefahren zu sein, das leider nie gebaut werden wird…
Update 11.06.2013: die Jungs von Ausfahrt.TV haben ein feines Video zum Audi R8 e-tron gemacht.