Anfang der Woche war es soweit: die beiden Insolvenzverwalter aka „Ringsanierer“ Thomas Schmidt und Jens Lieser konnten den Verkauf des Nürburgring zum 1.1.2015 vermelden. Das gesamte Transaktionsvolumen soll bei über 100 Millionen Euro liegen. Der Käufer ist mit der Capricorn Group, bzw. dem neu gegründeten Unternehmen „Capricorn Nürburgring GmbH“ ein mittelständisches Unternehmen aus Düsseldorf.
Während im Vorfeld Fragen aufkamen (um es mal so auszudrücken), ob ein Verkauf des Nürburgring tatsächlich sinnvoll oder gar unabdingbar gewesen wäre (wie das Land Rheinland-Pfalz gerne proklamierte), darf nun diskutiert werden, ob ein mittelständisches Unternehmen wie Capricorn der Retter sein kann, der die Erwartungen von Stakeholdern wie Mitarbeiter, Fans, Fahrer und Automobilindustrie erfüllen kann. Während das Land Rheinland-Pfalz vermeintlich fein aus dem Schneider ist, die zuletzt von Missverständnissen und falschen Entscheidungen geprägte jüngere Nürburgring-Vergangenheit ad acta legen kann, kann das Mindestziel nur schlicht „Fortbestand des Nürburgring“ bedeuten. Was die Vorgänger „big time“ in den Sand gesetzt haben, soll nun also Capricorn ab dem 1.1.2015 richten.
Sanierungsgeschäftsführer Schmidt frohlockt: „rund 20 Monate nach dem Insolvenzantrag ist die Zeit der Ungewissheit für den Nürburgring, die Motorsportfans, die Automobilindustrie, Veranstalter, Mitarbeiter und die Region vorbei. Wir können nach vorne blicken, haben jetzt Klarheit und eine Perspektive“. Doch ist es wirklich so einfach, das Schwierigste überstanden?
Immerhin: Capricorn dürfte als Automobil- und Motorsportzulieferer über eine gewisse Expertise über die speziellen Rahmenbedingungen am Ring und ein gesteigertes Interesse am Fortbestand der Eifel-Rennstrecke verfügen. Eigentümer Robertino Wild engagiert sich mit seiner Unternehmensgruppe seit 15 Jahren am Ring, betreibt eine Dependance im Gewerbepark Meuspath direkt an der Döttinger Höhe und ist seit Jahren im Motorsport unterwegs. Auch Adam Osieka, Geschäftsführer des an der neu gegründeten Capricorn Nürburgring GmbH beteiligten Motorsportunternehmens GetSpeed ist nachweislich begeisterter Rennfahrer auf der Nordschleife.
Die Pläne hören sich zunächst mal sehr gut und pragmatisch an. Bis zu 25 Millionen Euro des gesamten Transaktionsvolumens sollen für Investitionen in den Ausbau des Nürburgring und seiner Peripherie, sowie für die Entstehung eines „neuen Automobilen Technologie Clusters“ draufgehen. Ziel ist es, Technologieunternehmen und Institute anzusiedeln, wie es bereits im Gewerbegebiet in Meuspath der Fall ist. Den gleichfalls lächerlichen wie wirtschaftlich desaströsen Freizeitpark etwa will Robertino Wild schleunigst loswerden – „höflich gesagt, bedeutet das Rückbau“, beweist Wild Sinn für Humor.
Und klar, rein rechnerisch dürfte der Ring ein Schnäppchen sein (Tom Schwede rechnet das nicht ganz ernst gemeint vor). Sebastian von Passiondriving.de erhofft sich vom Neubesitzer Capricorn, ein glückliches Händchen zu beweisen und traut diesem einen „erfolgreichen, nicht renditegetriebenen Betrieb“ des Nürburgrings zu. Ich für meinen Teil glaube, nein, hoffe (sogar inständig), dass die Capricorn Nürburgring GmbH im Gegenteil durchaus an einem renditegetriebenem Betrieb interessiert ist. Anders kann es meiner Meinung nach gar nicht gehen. Es bleibt zu hoffen, dass Capricorn keine Luftschlösser baut, sondern realistisch, ja pragmatisch plant und sich vor allem auf die Basis der Fans und Fahrer sowie die Bedürfnisse der Automobilindustrie konzentriert und entsprechende Geschäftsmodelle entwickeln kann.
Mike Frison fragt sich (unter anderem), woher die 100 Millionen Kapital für den Nürburgring-Kauf kommen. Natürlich, das kann man sich durchaus bei einem Unternehmen mit gerade einmal 300 Mitarbeitern fragen! Um eigenes Kapital kann es sich kaum handeln, zumindest dann nicht, wenn man sich den öffentlich einsehbaren Jahresabschluss 2012 der Capricorn Automotive GmbH anschaut (Stichwort Verhältnis Eigenkapital zu Verbindlichkeiten). Es stellt sich also tatsächlich die Frage, wer die Kreditgeber/Investoren sind – und wie renditegetrieben diese sind.
Und: kann ein Unternehmen, das bislang hauptsächlich als Automobilzulieferer eine (größenmäßig überschaubare) Rolle gespielt hat, eine höchst defizitäre Rennstrecke zu wirtschaftlichem Erfolg führen?
[Bild: ADAC Motorsport]