Eigentlich kaum zu glauben: die spanische Automarke Seat bildet bereits seit zweieinhalb Jahrzehnten den emotionalen, dynamischen und eher jugendlichen Counterpart inmitten des dann doch eher kühlen, geradezu teutonischen Volkswagen-Konzerns. Als „weltläufige und urbane“ (so der Pressetext) geprägte Marke können die heißblütigen Spanier relativ wenig mit einem unwirtlichen Landfleck wie Niedersachsen anfangen und bevorzugen als Standort nach wie vor die Nähe zur über die Maßen hippen Metropole Barcelona. Verständlich. Insofern bildete die Hauptstadt Kataloniens auch den perfekten Ort für eine erste Testfahrt mit dem neuen Wurf der Leon-Familie, dem Leon ST.
Vor der Brandung des Mittelmeers im Schatten des vom spanischen Star-Architekten Ricardo Bofill entworfenen „Hotel W“ in unmittelbarer Nähe zum Hafen wartet der neue Seat Leon ST auf uns. Wir haben uns für einen strahlend weißen Testwagen in der Ausstattungslinie „Style“ entschieden. Der steht nicht nur auf schicken 16-Zoll-Rädern, sondern kommt auch noch mit einem großen Panoramadach daher – genau das Richtige für Schlechtwettergezeichnete wie wir es seit ein paar Wochen nun einmal sind.
Bis zur Hinterachse weist der neue Leon-Kombi dieselben dynamischen Porportionen auf wie der Leon-Fünftürer. Das Heck wuchs konzeptbedingt um 27 Zentimeter. Anders als bei einigen anderen Kompaktklasse-Kombis, deren Heck optisch mehr oder weniger uninspiriert einfach nur ihren primären Zweck (mehr Platz) erfüllen sollen, ist das Heck des Spaniers einfach nur richtig gut gezeichnet. Der Eindruck ergibt sich bereits in der Seitenansicht. Verantwortlich dafür: der progressive Übergang der hinteren Seitensicke, die sich bis in die Heckklappe zieht und dort im selbstbewusst groß gezeichneten Seat-Logo ausläuft. Beweisfoto siehen unten.
Bleiben wir beim Heck. Bei gleichem Radstand bietet der um fast 30 Zentimeter gewachsene Seat Leon ST ein Kofferraumvolumen von guten 587 Liter. Das ist nicht viel weniger als beim unbestrittenen Platzhirsch im Segment, dem neuen Skoda Octavia Combi, der 610 Liter bietet. Bei umgeklappter Rücksitzbank kann das Raumangebot auf bis zu 1470 Liter erweitert werden.
Je nach Häkchen in der aufpreispflichtigen Ausstattungsliste kann die Lehne des Beifahrersitzes komplett umgeklappt werden. Dann beträgt die maximale Ladelänge stolze 2,5 Meter. Selbst der nächste 2,36 Meter hohe Kleiderschrank dürfte dann kein Problem mehr darstellen. Pfiffiges Detail: der doppelte Ladeboden, der das Be- und Entladen noch einfacher machen soll.
Im Cockpit fallen das sportliche Dreispeichenlenkrad, der schicke Tacho, der lederne Schaltknauf sowie die Navi-ausgestattete Mittelkonsole positiv auf. Das sieht alles einfach hochwertig und gut verarbeitet aus. Ansonsten regiert viel Plastik. Das stört zwar nicht wirklich, fällt im Vergleich zum Rest aber deutlich ab. Aber wir sind ja nicht zum Gucken da, wir wollen fahren. Also setzen wir uns in Bewegung und verlassen langsam die Promenade in Richtung City.
Der Verkehr ist um diese Uhrzeit noch erträglich, die Stimmung im vorweihnachtlichen Barcelona erwartet entspannt. Mehr als einmal verfolgen uns die Blicke vor allem junger Leute. Beim Design scheinen die Seat-Designer also offenbar einiges richtig gemacht zu haben. Nach knappen 15 Minuten verlassen wir den Stadtverkehr von Barcelona und können dem Seat Leon ST auf den Landstraßen im Umland auf den Zahn fühlen.
Unser Testwagen ist mit dem 140 PS starken 1.4 TSI ausreichend motorisiert. Der verfügt mit seinen 250 Nm Drehmoment über ordentliche Sicherheitsreserven, fährt sich – bis auf den im Cockpit wahrgenommenen Sound – aber nicht übertrieben sportlich. Seat gibt für den Spurt von null auf hundert Sachen eine Zeit von 8,4 Sekunden und für die Höchstgeschwindigkeit einen Wert von 211 km/h an. Das sollte für die meisten Autofahrer dicke ausreichen. Offiziell soll der 140 PS starke 1.4 TSI übrigens 5,3 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen. Wahrscheinlich sind es im Praixsgebrauch eher knapp über sechs Liter, was jedoch auch noch im Rahmen sein sollte.
Auf den anspruchsvoll geschwungenen Landstraßen und Serpentinen muss das Fahrwerk zeigen, was es kann. Das arbeitet sehr komfortabel und bügelt Querfugen und kleine Unebenheiten einfach weg. Allerdings ist eine gewisse, offenbar dem hohen Komfort und der Hinterachsgeometrie geschuldete Bewegung um die Längsachse bei sportlicher Weise zu beobachten. Der Sportfahrer sollte auf eine Motorisierung oberhalb von 150 PS setzen. Dann nämlich ersetzt eine Vierlenker-Hinterachse die mehr oder weniger „halbstarre“ Verbundlenkerachse. Sportlich orientierte Autofahrer werden eh zur FR-Variante des Seat Leon ST greifen. Die kommt mit einer 15 Millimeter-Tieferlegung, strafferen Federn und bei FR-Varianten oberhalb von 150 PS mit einem 30% steiferen Stabilisator, der Wanktendenzen größtmöglich eliminieren dürfte.
Apropos Sport: bei der FR-Version des neuen Seat Leon ST mit 180 PS TSI oder 184 PS TDI lässt sich der Fahrzeugcharakter passend zu Fahrsituation und Stimmung individuell abstimmen: Das „Drive Profile“ erlaubt dem Fahrer, die Charakteristik der Lenkunterstützung, der Gasannahme und des DSG-Getriebes in den drei Modi eco, comfort und sport zu variieren, zusätzlich gibt es eine Individualeinstellung. Für den FR bietet Seat darüber hinaus die adaptive Fahrwerksregelung (DCC) mit drei unterschiedlichen Fahrmodi an. Auch können über das Seat Drive Profile ausgewählt werden. Im Modus „Sport“ soll sich der Leon ST noch agiler bewegen lassen; komfortabler ist der Kombi im Modus „Comfort“ unterwegs. Das DCC-System regelt adaptiv die Dämpferventile und damit die Einstellung der Dämpferkennung. Dazu nutzt DCC die Eingangssignale der Radweg- und Beschleunigungssensoren sowie die Fahrzeug-Businformationen aus dem Fahrwerks-CAN; dabei wird für jede Fahrsituation die optimale Dämpfkraft berechnet und adaptiv eingestellt. Die Dämpfkräfte werden zudem selektiv an allen vier Rädern individuell eingestellt. In der neuen Generation des DCC ist es erstmals möglich, die Zug- und Druckstufendämpfung auch bei Querdynamikmanövern vollkommen unabhängig voneinander zu variieren.
Der neue Seat Leon ST ist zu Preisen ab 16.640 Euro bestellbar.