Gestern abend habe ich einen Fachbeitrag von Jean-Remy von Matt (Inhaber und Gründer der renommierten Werbeagentur Jung von Matt) zur Kommunikationspolitik im Automobilmarketing (im Buch „Markenmanagement in der Automobilindustrie„) gelesen.
Jean-Remy von Matt (*1) schildert darin eine interessante Theorie:
„Ich glaube an die Theorie des Siegerpodestes: Sie bezeichnet eine Tendenz, die man auch in der Marktforschung oft wiederfindet. Nämlich, dass nur die drei besten TV-Spots eines Werbeblocks, nur die drei besten Anzeigen einer Zeitschrift und nur die drei besten Plakate einer Autofahrt erinnert werden.
(…) Schon die Nummer vier gehört zum tragischen Club der Vergessenen.“
Hm. Ich kann mich ehrlich gesagt an keinen einzigen Werbespot von gestern erinnern. Ich persönlich zappe fast immer weg oder hole mir einen frischen Drink (oder bringe diesen wieder weg).
Die drei besten Anzeigen einer Zeitschrift…? Schwer, wenn direkt die ersten zwölf Seiten (noch vor dem Inhaltsverzeichnis) mit doppelseitigen Anzeigen vollgestopft sind. Die „Men´s Health“ ist zum Beispiel so ein Fall. Ansonsten überblättere ich 99 % der Anzeigen. Eventuell erinnere ich mich später an die beste. Aber auch nur vielleicht.
Und an die „drei besten Plakate einer Autofahrt“ erinnern? Sorry, aber beim Autofahren habe ich besseres zu tun, als mir die drei tollsten Plakate zu suchen. Wenn ich mal auf eines aufmerksam werde (vielleicht mal an der Ampel), dann ist das meistens nicht so spitze, dass ich es sofort abspeichere.
Dass potenzielle Kunden (gerne auch Konsumenten genannt) verstärkt allergisch auf herkömmliche Werbung reagieren, sollte sich eigentlich langsam herumgesprochen haben. Trotzdem wird noch nicht allzu sehr auf diese Entwicklung reagiert.
Zwei Automobilhersteller haben – im Gegensatz zur klassischen Brecheisen-Werbung – einen sehr viel feineren Weg gefunden, auf sich aufmerksam zu machen und ihre Marke „aufzuladen“ und zu emotionalisieren.
Entsprechend des „Marketeasing-Ansatzes“ von Werbe-Profi Bernd Röthlingshöfer haben VW und Opel zwei Kommunikationsmaßnahmen kreiert, die den Kunden die Freiheit lassen, „sich auf Ihre Werbung einzulassen oder nicht“. Nach Bernd Röthlingshöfer müssen diese so interessant, unterhaltend und anders sein, dass sie die Kunden anziehen, einbeziehen und zu Botschaftern des Unternehmens machen.
Während VW mit dem Schlämmerblog zwar sehr erfolgreich war, allerdings kaum wirkliche Markenerlebnisse vermittelte, geht Opel mit seinem OPC-Race Camp einen viel offensiveren Weg, der ganz nebenbei eine lange vernachlässigte, trotzdem traditionell vorhandene, Opel-Motorsport-Fan-Community auf einen Schlag reanimiert.
Die Idee, an einem ernstzunehmenden Rennfahrer-Casting teilzunehmen, fanden 18.500 Damen und Herren fast jeden Alters so interessant, dass sie sich anmeldeten. In einem Qualifikationsprozess von mehreren Runden (unter anderem im Opel-Testzentrum in Dudenhofen und auf der Nürburgring-Nordschleife) werden von Rennfahrer Manuel Reuter und seinem Team acht talentierte Piloten herausgefiltert, die – entsprechend vorbereitet – 2008 in zwei Werks-Opel Astra OPC das 24h-Rennen am Nürburgring bestreiten sollen.
Meiner Meinung trifft der Begriff „Branded Entertainment“, der in Martin Oettings Blog ConnectedMarketing gefallen ist, auf dieses ambitionierte Event viel eher zu, als auf VW´s – anfangs versteckte – Werbung mit dem Schlämmerblog. Denn hier ist die Marke Opel wirklich erleb-, und vor allem erfahrbar.
Die Möglichkeit, Opels sportlichste Automodelle (Astra OPC und Renn-Corsa OPC) am Limit zu bewegen und die Chance, sogar eine Rennfahrerkarriere starten zu können, kam jedoch nicht nur bei Opel-Fans an. Sämtliche Auto-Foren berichten vom OPC Race Camp, sogar Fan-Foren zu anderen Fabrikaten zeigen sich durchaus erfreut. Bemerkenswert das Zitat eines BMW M5-Fahrers:
„Was man nicht alles macht, wenn man beim OPC Race Camp dabei sein möchte. Da merkt man halt, dass ich auch ein Stück Opel in meinen Erbanlagen habe.“
Auf diese Weise werden verschiedene Communities zu freiwilligen Botschaftern der Marke, wie beispielsweise von Werbeblogger Patrick Breitenbach auf dem Buenalog beschrieben.
Jetzt liegt es an Opel, das OPC Race Camp weiter bekannt zu machen und die Erlebnisse der zunächst 500 Auserwählten für einen größeren Kreis erlebbar zu machen. Dazu dient zum einen Manuel Reuter´s Roadbook auf der OPC-Website und zum anderen das neue OPC-Blog, an dem meine Wenigkeit (im Rahmen meiner Diplomarbeit) auch beratend bis aktiv beteiligt ist. Ganz nebenbei 😉 gibt´s natürlich auch noch Berichterstattung in den klassischen Medien, wie zum Beispiel in der Autobild oder im Deutschen Sport Fernsehen (DSF).
(*1) Das ist übrigens auch der Mann, der Blogs, wie zum Beispiel dieses hier, seinerzeit als Klowände bezeichnet hat.